Der Amoklauf von Winnenden mit 16 Toten ist zehn Jahre her und hat den Literaturkurs des Amplonius-Gymnasiums zu einer Eigenproduktion motiviert. „Das damalige Ergebnis schlug jetzt erneut medial hohe Wellen“, sagt dazu Lehrerin Stefanie Breit. „Vor allem lag der Tatort in Deutschland. Irgendwie betraf der Amoklauf alle.“
Aus dem Schülerwunsch, die Tat für das eigene Schulleben aufzuarbeiten, Motive des Täters nachzuvollziehen, entstand das Projekt „Theateramoklauf“. Breit legte mit Handlungssträngen vor, die Kurse erarbeiteten Szenen, die einen Amoklauf aus verschiedenen Perspektiven nachempfinden. Theaterpädagoge Simon Blaschko hatte die Regie und erarbeitete die szenische Umsetzung, wagte mit den Jugendlichen den schmalen Grat zwischen einfacher Darstellung und nachhaltiger Theaterarbeit.
„Wir haben Ideen umgesetzt und gemeinsam erlebt, was Theater ist und was dahinter steckt“, so Blaschko. Der Kult-Pool als schulische Institution eignete sich hervorragend für die zweifache Aufführung und zeigte ein typisches Klassenzimmer.
Was macht einen Jugendlichen zum Amokläufer? Welche Konstellation in der Klassengemeinschaft sorgt für Mobbingopfer und -täter? Die Situation im Klassenzimmer wirkte düster, beinahe beängstigt, während an Fenster und Türen geklopft wird und die Anspannung steigt. Filmische Einspieler, die ein hektisches Laufen des Täters auf dem Schulflur zeigen, ermöglichen die Täterperspektive. Ist etwa Klaus, der von seinen Klassenkameraden gemobbt wird, der Täter? Haben die Mitschüler das Recht, Klaus für ihre Vermutung zur Rechenschaft zu ziehen? Sie stecken ihn kopfüber in einen mit Wasser gefüllten Eimer. Als Zuschauer muss man es aushalten, wenn Klaus kopfüber blubbernd versucht, sich zu retten. „Wir haben diese Situation speziell trainiert“, so Blaschko. Auch spätere Szenen, in denen Mobbingtäter versuchen, den Spieß für sich umzudrehen und Klaus hochleben lassen, sind kaum erträglich. Schule ist kein Ponyhof. „Klausi, wir haben nur Spaß gemacht“, heißt es aus der Runde nach dem perfiden Spiel um Macht und Vorverurteilung, während Lehrer Filler sich nicht imstande sieht, einzuschreiten. Verantwortung ist ein Fremdwort. Filler: „Wie soll ich Verantwortung übernehmen, wenn auf dem Schulflur der Krieg ausbricht.“
Unterschiedliche Tatmotive wie Stress, elterlicher Druck und zu hohe Erwartungshaltungen gehören in die Aufarbeitung. Das Ende überrascht, als Robert, der tatsächliche Amokläufer, die Bühne betritt: „Ich wollte nicht Amokläufer sein. Niemand will das.“ Mit tosendem Applaus bedankt sich das Publikum, lobt, ist begeistert von der Theaterleistung. Nachdenklichkeit ist spürbar. Und wie sieht die Schulrealität in Rheinberg aus? „Wir setzen gezielt auf Präventionsmaßnahmen, indem wir zu den Jugendlichen Kontakt aufbauen und auf sie und ihre Befindlichkeiten zugehen“, sagt Breit. „Wir achten aufeinander, machen Mut und setzen auf unsere Stärken.“