In der Rheinischen Post berichtet Heidrun Jasper von einem spannenden Projekt am Amplonius-Gymnasium:
Rheinberg Lena Liebern promoviert an der Uni Duisburg/Essen. Am Rheinberger Amplonius-Gymnasium hat sie jetzt im Unterricht empirische Untersuchungen für ihre Dissertation zum Thema Geschichtsdidaktik durchgeführt.
Die analoge Generation ist mit Buch, Block, Duden und Stift, vielleicht sogar noch mit Schiefertafel und Kreide groß geworden. Junge Menschen, die im digitalen Zeitalter geboren sind, empfinden ihre Eltern oder Großeltern als beinahe vorsintflutlich, wenn die den Kugelschreiber aus der Tasche holen, um sich Dinge zu notieren, die sie gerade gelernt haben oder an die sie denken sollen. Oder wenn sie gar im eigenen Gedächtnis kramen, um Antworten auf Fragen zu finden. Wie einfach ist es da doch, eben auf dem Smartphone oder Laptop die Suchmaschine im Netz anzuschmeißen, die in Sekundenschnelle ausspuckt, was man gerade wissen will. Privat und in der Schule, an der Universität. Auch Lena Liebern nutzt intensiv elektronische Medien. Die 26-Jährige lebt in Mülheim an der Ruhr, hat an der Universität Duisburg-Essen Deutsch und Geschichte für das Lehramt der Sekundarstufe I studiert, vor eineinhalb Jahren ihren Master gemacht und arbeitet seit eineinhalb Jahren als Doktorandin am Lehrstuhl für Geschichtsdidaktik an der Uni. Zwei Tage hat Lena Liebern ihren Arbeitsplatz mit dem Informatikraum des Rheinberger Amplonius-Gymnasiums getauscht, um mit Hilfe von Schülern empirische Untersuchungen für ihre Doktorarbeit zum Thema Geschichtsdidaktik durchzuführen. Es geht im Groben im die Vermittlung von Geschichte. Darum, wie man digitale Medien nutzen kann, um Geschichte zu erarbeiten. Liebern will wissen, wie Schüler zu zweit historische digitale Lernaufgaben lösen. Geschichte, sagt sie, „verändert sich, daraus leiten wir unser Handeln in der Zukunft ab“. Ein philosophischer Ansatz, räumt die 26-Jährige ein, die ihre Untersuchungen in drei Arbeitsfelder aufgeteilt hat: Erforschung historischen Lernens, wie läuft historisches Lernen ab, welche Schnittstellen zur Schule gibt es?
Acht Schüler einer achten Jahrgangsstufe haben sich freiwillig bereiterklärt mitzuwirken, haben sich jeweils zu zweit mit Hilfe elektronischer Medien durch sieben Fragen gearbeitet, die Lena Liebern zum Thema „Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit“ ausgearbeitet hat. Währenddessen läuft ständig die Videokamera, zeichnet auf, wie und ob die Schülerpaare miteinander kommunizieren, welche Strategien sie anwenden, um die Fragen zu beantworten. Das Ergebnis wird in ihre Doktorarbeit einfließen.
Dass sie in Zeiten der Corona-Pandemie überhaupt eine Schule gefunden hat, an der sie für ihre Dissertation forschen kann, verdankt sie Lutz Küster. Der 50-Jährige unterrichtet Geschichte und Französisch am Amplonius-Gymnasium, wird dort auch federführend das Projekt über den Namensgeber der Schule leiten, das demnächst in Angriff genommen wird. Küster ist auch in der Lehrerausbildung als Fachleiter Geschichte aktiv, außerdem wirkt er als ministerieller Fachberater für „Digitale Bildung in den Gesellschaftswissenschaften“ bei der Bezirksregierung Düsseldorf. „Bildung in der digitalen Welt heißt nicht nur, dass wir digitale Endgeräte wie Tablets nutzen“, sagt der Pädagoge. Es gehe auch darum, Medienkompetenz zu vermitteln. Die Fähigkeit, „fake news“ (also gefälschte Informationen) zu erkennen und wann es besser ist, analog statt digital zu arbeiten. Auch für Sencan Tasçi, die seit 2014 gemeinsam mit Marcus Padtberg das Amplonius-Gymnasium leitet, ist das Projekt von Lena Liebern spannend. Auch sie hat an der Uni Duisburg-Essen studiert (Englisch und Deutsch), genau wie Lutz Küster. Beide bezeichnen das Amplonius-Gymnasium als sehr gut aufgestellt, was elektronische Medien angeht. Interessant für Sencan Tasçi wäre es zu erfahren, warum sich für das zweitägige Projekt der angehenden Doktorandin nur Jungen gemeldet haben und ob Jungen anders mit digitalen Medien arbeiten als Mädchen. Was bei beiden Geschlechtern aber feststellbar sei, so die stellvertretende Schulleiterin: „Sie besitzen wenig Frustrationstoleranz. Es fällt ihnen sehr schwer, sich zu konzentrieren, einige Schülerinnen und Schüler werden schnell ungeduldig.“ Der Grund liegt für sie auf der Hand: „Sie sind einer großen Bilderflut und hohen Taktung ausgesetzt, das merkt man den Schülern durchaus an“.
Quelle: https://rp-online.de/nrw/staedte/rheinberg/rheinberg_aid-55017037?utm_source=whatsapp&utm_medium=referral&utm_campaign=share
Foto: Armin Fischer (rp)